14. Oktober 2023

Psychologisch nachvollziehbar, politisch töricht

"Psychologisch ist der Terror der Hamas nachvollziehbar, politisch töricht". Unter diesem Titel brachte die Berliner Zeitung (BZ) einInterview mit dem 1947 in Tel Aviv (Palästina) geborenen Historiker und Publizist, Prof. Michael Wolfssohn (TiB-Gast im Januar 2016), der vor seiner Emeritierung an der Bundeswehr-Hochschule in München-Neubiberg lehrte. Der deutsch-israelische Intellektuelle, der dieser Tage in den Medien ein sehr gefragter Mann ist, sprach darüber, warum das Land trotz des kriegerischen Terrors der Hamas für alle Juden eine Lebensversicherung ist. Und warum er hofft, dass Israels Ministerpräsident Netanjahu die derzeitige Krise nicht übersteht.

 

Gefragt, ob es die Lebensversicherung Israel für alle Juden auf der Welt noch gibt, antwortet der Geschichtsprofessor: "Es gab sie, es gibt sie und es wird sie geben. Denn die Lebensversicherung bezieht sich auf die innenpolitischen Rahmenbedingungen für Juden. Der Zionismus ist die Antwort auf außenpolitische Bedrohungen der jüdischen Gemeinschaft gewesen. Aber dass Juden von der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft abhängig sind, in der sie lebten, das hat sich durch die Staatsgründung Israels 1948 verändert."

 

Was Netanjahu betrifft, dem vorgeworfen wird, das Land gespalten und damit verletzlich gemacht zu haben, vertritt Wolffsohn diesen Standpunkt: "Die Menschen haben bis zum Ausbruch des Krieges 39 Wochen hintereinander protestiert. Die israelische Armee ist eine Volksarmee. Wer das Volk spaltet, spaltet die Armee". Er vermutet, dass Netanjahu die Situalion nicht überstehen wird. Ohne ihn wäre in Israel eine andere Koalition (Likud plus Lapid plus Gantz) möglich. Das würde eine Mäßigung in der Rechts- und Religionspolitik bedeuten und das wiederum bedeutet eine Befriedung der innenpolitischen Situation