14. November 2023

Schildbürgerliche deutsche Sicherheitspolitik

Das Politmagazin FOCUS veröffentlichte kürzlich einen Gastbeitrag von Prof. a.D. Michael Wolffsohn, der vor seiner Emeritierung an der Bundeswehr-Hochschule in München-Neubiberg Neuere Geschichte lehrte. "Nicht nur Juden bezahlen nun den Preis für eine naive linke Ideologie" lautet der Titel des Beitrags des 1947 in Tel Aviv geborenen deutsch-jüdischen Publizisten, der im Januar 2016 unser TiB-Gast im Bocksaal war.

 

Er vergleicht deutsche Sicherheitspolitik mit den Schelmengeschichten der Schildbürger. Diese bauten vor langer Zeit ihr Rathaus. Als es fertig war, stellten sie bei der ersten Innenbegehung fest, dass es dunkel war. Sie hatten nämlich vergessen, den Bau auch mit Fenstern auszustatten. Ein Schlaukopf präsentierte die Lösung: Eimerweise wurde von draußen Licht ins Rathaus-Innere getragen. Seltsamerweise blieb es aber trotzdem im Innern stockdunkel.

 

Nach Wolfssohns Ansicht unterscheidet sich die heutige deutsche Sicherheitspolitik nicht wesentlich von jenem Schildbürgerstreich. Sie trägt zwar diesen Namen, verdient ihn aber längst nicht mehr, weder nach innen noch nach außen. Die Bundeswehr wurde über Jahrzehnte systematisch vernachlässigt. Deshalb sei dem amtierenden Verteidigungsminister Boris Pistorius jeder Erfolg bei der Wiederherstellung deutscher Wehrfähigkeit gewünscht. "Wir fühlen uns nicht mehr sicher", sagen nicht nur immer mehr Juden, sondern auch immer mehr Juden in Deutschland. Auch das ist ein Grund dafür, dass sich so viele - viel zu viele - für die Wahl der AfD entscheiden, obwohl die mitnichten mehr als eine Partei kompetenzloser rechtsextremer Kraftmeierei ist.